Meinungsseite

Auf dieser Seite können meinungsbildende Beiträge zu Schachturnieren veröffentlicht werden. Als Autoren sind vor allem Mitglieder der Initiative eingeladen, die ihre Meinung zum Turniergeschehen veröffentlichen wollen. Gerne dürfen aber auch Gastbeiträge von Nichtmitgliedern eingereicht werden. Wichtige Regel: Die Meinungsseite dient dazu, sich kritisch oder lobend über Praktiken zu äußern, nicht um Hetze zu verbreiten. Beiträge, in denen Personen namentlich angegriffen werden, werden nicht veröffentlicht.

Inhaltsverzeichnis


Kritik an der derzeitigen Förderstrategie von Mädchen im Schach

Gleich vorweg: Dieser Artikel ist ein Denkanstoß von mir als Einzelperson. Die Meinung, welche ich hier vertrete ist nicht Bestandteil des "Fair zum Erfolg"-Leitbildes und ist auch innerhalb der Initiative umstritten.

Situation

Im Schach sind nur relativ wenige Mädchen bzw. Frauen anzutreffen. Kein Wunder, dass es für viele ehrenamtlich Tätige ein wichtiges Anliegen ist, den Anteil zu erhöhen. Der berechtigte Wunsch ist eine Schachszene, in der es weder in der Teilnehmerzahl noch in der Spielleistung nennenswerte Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. An gutem Willen mangelt es sicher nicht. Aber die Förderstrategien halte ich in großen Teilen für verfehlt. Meine Kritik richtet sich vor allem gegen die getrennte Wertung von Jungen und Mädchen innerhalb einer Altersgruppe. Diese führt zu sehr sonderbaren Situationen:

Unterm Strich findet man also genug Mädchen, die im Spitzenfeld mitspielen und die es sehr wohl mit Jungen aufnehmen können. Dennoch meint man, Jungen und Mädchen innerhalb einer Altersgruppe gesondert zu werten. Mädchen werden zu Spielerinnen 2. Klasse degradiert. Man vermittelt ihnen: Ihr erhaltet eine Sonderwertung, weil ihr nur Mädchen seid. Wenn Spielerinnen als Tabellenletzte einen Pokal und eine Gratulation als Bezirksmeisterin erhalten, ist das weder ein Leistungsanreiz noch eine Belohnung. Stattdessen werden diese Spielerinnen durch einen solchen Pokal für blöd verkauft.

Begründungen

Aber warum diese Unterscheidung? Dazu habe ich bisher die folgenden Argumente gehört:

Gescheiterter Antrag

Beim Jugendverbandstag 2019 der WSJ stellte ich den Antrag, die getrennte Wertung aufzulösen. Die oberschwäbische Funktionärin Marina Heil, welche selber zahlreiche Frauenpreise erhalten hatte, unterstützte den Antrag mit dem folgenden Zitat:

"Ich unterstütze deinen Antrag vollumfänglich.

Ich selbst habe es schon mehrfach erlebt wie es ist, wenn man eigentlich ein schlechtes Turnier spielt und am Ende einen Preis erhält - nur weil man weiblich ist. Es ist nur schwer dieses Gefühl zu beschreiben, aber es fühlt sich nicht besonders toll an.

Häufig hört man das Argument, dass die Mädchenpreise der Förderung des Mädchenschachs dienen sollen. Ich halte das jedoch (zumindest in der jetzigen Situation mit wenig Mädchen pro Gruppe) sehr zweifelhaft. Im besten Falle freut sich ein schwach spielendes Mädchen darüber, dass es einen Preis erhält obwohl es so schlecht spielt. Im schlechtesten Falle erhält ein stark spielendes Mädchen für den Gruppensieg den gleichen Preis wie es auch mit 0 Punkten erhalten hätte. Dies kann sehr frustrierend sein, da die erbrachte Leistung nicht anerkannt wird. Starken Mädchen wird signalisiert: "Egal wie stark du spielst: mehr als der Mädchenpreis ist für dich nicht drin (und den gibt es auch für schwächere Leistung)".

Noch ein paar Hinweise für Diskussionen: Ich glaube viele Männer tun sich schwer dieses Gefühl nachzuvollziehen. In der Diskussion mit Männern höre ich hier häufig: "Sei doch froh. Ich würde mich freuen, wenn ich auch mal einen Pokal gewinnen würde". Dies stimmt vielleicht noch für das erste Mal. Je häufiger man jedoch einen "solchen" Preis erhält, der nicht wirklich an Leistung gekoppelt ist desto fragwürdiger findet man diese Praxis."

Dieser Antrag erhielt nur zwei Stimmen (eine von mir) und zahllose Gegenstimmen. Mit dieser deutlichen Niederlage kann ich gut leben. Womit ich nicht leben kann ist, dass es für diesen Antrag und die damit verbundene Problematik keine Zeit mehr zu diskutieren gab. Er wurde fast ganz zum Schluss zur Diskussion vorgelegt und musste in wenigen Minuten entschieden werden. Dabei wurde er schon Anfang 2018 eingereicht - vermutlich lange vor allen anderen Anträgen. Dennoch ist die Entscheidung formal korrekt.

Alternative Förderstrategie

Ich halte es aber weiterhin für notwendig, diese Förderstrategie zu hinterfragen und über Alternativen nachzudenken. Wie aber könnte eine alternative Förderstrategie für Mädchenschach aussehen?

(von Elmar Braig)

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Anspruch von Fair zum Erfolg

Auf der Titelseite der "Fair zum Erfolg"-Initiative steht ein Leitbild. Doch was ist dessen Anspruch? Bedeutet es, dass kein Spieler des teilnehmenden Vereins gegen dieses Leitbild verstoßen darf und voller Überzeugung dahinter stehen muss? Dies umzusetzen wäre beinahe unmöglich. Dazu müssten erst alle Mitglieder des Vereins zustimmen. Wenn dem aber nicht so ist, welchen Sinn hat dieses Leitbild überhaupt?

Unterschrieben hat es der jeweilige Jugendleiter in Abstimmung mit dem Vereinsvorstand. Der Vorstand und im Besonderen der Jugendleiter muss also hinter dem Leitbild stehen und sich daran halten. Wenn er oder die Co-Trainer offensichtlich gegen das Leitbild verstoßen, ist die Glaubwürdigkeit des Vereins verletzt. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, die bis zum Ausschluss des Vereins aus der Initiative führen können.

Vermittlung an Jugendspieler

Der Jugendleiter sollte dieses Leitbild natürlich auch an die Jugendspieler weiter vermitteln. Dazu braucht man keine speziellen Schulungen. Dies kann durch kürzere oder längere Gespräche geschehen, wenn ein entsprechender Anlass vorliegt. Falls also ein Spieler irgend eine krumme Methode vorschlägt, um ein Spiel zu gewinnnen, muss der Trainer einschreiten. Ich kann mich z. B. an eine Spielbegegnung in der VJL erinnern, bei dem der Spieler unserer Mannschaft deutlich mehr Zeit hatte als der Gegner. Er sagte dann zu seinen Mannschaftskollegen, dass er jetzt die Zeit bewusst lange laufen lassen würde in der Hoffnung, dass der Gegner die Lust verliert oder vielleicht früher weg muss und deswegen abbricht. In dieser Situation musste ich natürlich unseren Spieler darauf hinweisen, dass Erfolge nur durch gute Spielleistung erzielt werden, nicht durch legale oder illegale Tricks. Bei schwereren Verstößen wie z. B. der Einsatz von Poket-Fritz bei Spielen muss das Verhalten auf jeden Fall sanktioniert werden.

Natürlich gibt es bei den legalen Tricks auch Grenzfälle, wie z. B. ein taktisches Remis, um einen bestimmten Platz in der Tabelle zu erreichen. Nach meiner Auffassung ist so ein Verhalten vollkommen unproblematisch - es wurde ja die Leistung erbracht, nur wurde in einer bestimmten Situation nicht weiter auf Sieg gespielt.

Grenzen von Fair zum Erfolg

Der oder die Trainer kann und soll auf jeden Fall dieses Leitbild an die Heranwachsenden weiter geben. Er kann natürlich nicht sicherstellen, dass diese damit einverstanden sind. So erfuhr auch ich einmal, dass es zu einer Turnierabsprache zwischen zwei Jugendspielern unseres Vereins kam - allerdings erst Monate nach diesem Turnier. Die einzige Maßnahme, die ich ergreifen konnte, waren längere Gespräche mit den Betreffenden. Auch der Umgang mit Eltern, die von Ehrgeiz besessen sind und dabei vor keiner Methode zurückschrecken, ist nicht einfach. Ihr Verhalten ignorieren darf der Jugendleiter nicht. Sie mit ihren Kindern deswegen aber gleich aus dem Verein auszuschließen, wäre nach meiner Auffassung völlig überzogen. Denn damit verliert man auch den Einfluss auf sie. Sinnvoller sind diplomatische Gespräche, die zwar keine Garantie, aber eine Chance auf Erfolg haben. Auch die regelmäßigen Änderungen in der Trainerschaft und im Vorstand können dazu führen, dass nicht mehr alle Beteiligten hinter dem Leitbild stehen. Wichtigste Person ist jedoch der Jugendleiter. Wenn er nicht mehr hinter dem Leitbild steht, sollte der Verein die Initiative verlassen.

Unterm Strich ist das Leibild ein Ideal, das der Jugendleiter bzw. die Trainer vorleben und weiter geben sollen mit der Absicht, die nachfolgende Spielergeneration davon zu überzeugen.

(von Elmar Braig)

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Zu einem Zwischenfall der BJEM 2018 Neckar-Fils

Aus der Jugendarbeit ...

Was tun, wenn Kinder gegen Regeln im Sport verstoßen?

Was ist geschehen? Die Fakten ...

Es ereignete sich in der letzten Runde des U12-BJEM-Turniers. Die beiden "dicken" 11-jährigen Freunde Paul und Benjamin (die Namen sind geändert ...) trafen, wie das Schicksal es so will, in der letzten Runde aufeinander. Paul war bereits für die WJEM vorqualifiziert und Benjamin konnte mit einem Punktgewinn noch in den Kreis der möglichen Qualifikanten aufsteigen. Bereits nach vier Zügen gibt Paul in Anwesenheit vieler Eltern und Betreuer mit großer Geste auf.

Die Empörung war entsprechend groß.

Beide Jungs wurden von der Turnierleitung daraufhin angesprochen und befragt, ob das ihre eigene Entscheidung gewesen wäre, oder ob Erwachsene (Trainer, Betreuer etc.) dabei eine Rolle gespielt hatten, was sie verneinten. Daraufhin wurden beide "genullt" und Paul wurde angedroht, seinen Freiplatz bei der WJEM zu verlieren. Der Trainer der Kinder befand sich zur Zeit der Ereignisse - nichtsahnend - in einem anderen Raum des Gebäudes. Er erfuhr von dem Regelverstoß zunächst nur durch Dritte. Da er nach Aussage der Kinder nicht in die Absprache der Kinder involviert war, hielt die Turnierleitung es nicht für erforderlich, ihn zu informieren.

Analyse der Situation

  1. Den beiden Jungs war ihr Fehlverhalten offensichtlich nicht bewusst, denn sonst hätten sie die Sache wohl besser "getarnt".
    Da Paul der erheblich stärkere Spieler ist, hat er aus falschverstandener Freundschaft sogar einen erheblichen DWZ-Verlust in Kauf genommen.
  2. Die Entscheidung der Turnierleitung ist regelgerecht erfolgt und kann an sich nicht beanstandet werden. Hinterfragen könnte man allerdings, ob es nicht sinnvoll (wenn auch vom Reglement nicht verlangt) gewesen wäre, den Betreuer direkt zu informieren.
  3. Da das Ganze in der Öffentlichkeit ablief, stand zu befürchten, dass auch das Ansehen des Vereins in Mitleidenschaft gezogen würde. Dies umso mehr, als 24 der knapp 100 Teilnehmer, also nahezu 25 % von dem Verein kamen, in dem die handelnden Kids Mitglied sind.
  4. Mir als betreuenden Trainer war die ganze Angelegenheit naturgemäß äußerst unangenehm. Völlig unvorbereitet wurde ich gezwungen, in wenigen Minuten weitreichende Entscheidungen zu treffen.

Was also tun? Meine Maßnahmen...

  1. Direkt nachdem mir die Ereignisse bekannt wurden, habe ich die Jungs gesucht und mit Ihnen ein Gespräch geführt, um zunächst einmal die Ausgangslage aus Sicht der Betroffenen zu klären. Ein zweites (sehr kritisches) Gespräch fand dann etwas später, kurz vor der Siegerehrung, statt.
  2. Dem Turnierleiter teilte ich mit, dass ich seine Entscheidungen voll und ganz, also zu 100 % teile.
  3. Da beide Kinder von mir trainiert werden, musste ich abwägen, inwieweit ich mich öffentlich, z. B. bei der Siegerehrung von dem Verhalten distanzieren sollte. Unter "Zeitnot" entschied ich mich dagegen, da ich das Verhältnis zu meinen Schülern nicht mehr als erforderlich belasten wollte.
  4. Mit Benjamins Eltern fand noch vor Ort ein Gespräch statt, mit Pauls Eltern habe ich noch am gleichen Abend telefoniert. Beide Elternpaare waren von den Regelverstößen (und den daraus folgenden) Konsequenzen sehr betroffen. Das hatte intensive Gespräche mit ihren Söhnen zur Folge. Beide Elternpaare sandten daraufhin an den Turnierleiter (Bezirks-Jugendspielleiter) ein Entschuldigungsschreiben, in dem sie auch zu verstehen gaben, dass sie mit seiner Entscheidung und den sich daraus möglicherweise noch ergebenen Konsequenzen (wie z. B. eines Ausschlusses von der WJEM) voll einverstanden wären.
  5. Als spezielle Sanktion durften die Jungs bis heute nur noch einzeln zu meinen Sondertrainings kommen.
    Bei weiteren Gesprächen habe ich dann den Eindruck gewonnen, dass beide Kids inzwischen verstanden hatten, warum ihr Verhalten anderen gegenüber unfair war. So scheint es mir denn auch als höchst unwahrscheinlich, dass sich etwas ähnliches noch einmal wiederholen könnte.
    Dabei darf man nicht vergessen, dass es sich um 11-jährige Jungs handelt...
  6. Nachdem Paul die Entscheidung mitgeteilt wurde, dass er bei der WJEM doch mitmachen dürfte, hat er sich auch noch selbst bei der BJEM-Jugendleitung bedankt.
  7. Wie aber soll man nun mit der Frage des "öffentliche Ansehens unseres Vereins" umgehen? Wie kann man überhaupt Gerüchten entgegenwirken, die möglicherweise auch noch von wenig wohlwollenden, ja missgünstigen Kollegen verbreitet werden? Ich fürchte fast, überhaupt nicht...
    "Die Hunde bellen und die Karawane zieht weiter", sagte ein Trainerkollege in diesem Zusammenhang...
    Aber natürlich gibt es auch viele Menschen, deren Meinung mir sehr wichtig ist. Dazu gehören insbesondere (aber natürlich nicht nur) die Mitglieder der Initiative "Fair zum Erfolg". Entsprechend habe ich auch unmittelbar nach dem Vorfall mit Elmar gesprochen.
  8. In unserem Fair zum Erfolg-Leitbild ist das Prinzip "Fairness" fest verankert. Wenn also Mitglieder eines Fair zum Erfolg-Vereins dagegen verstoßen, dann muss sich der Verein unangenehme Fragen gefallen lassen. Diese können u. U. letztendlich sogar zum Ausschluss führen.
    Was mir allerdings nicht einleuchten will, ist der Umstand, dass ein Verein ein derartiges Ereignis zum Anlass nimmt, um seinen Austritt zu "rechtfertigen". Das Recht (auch ohne Begründung) auszutreten hat natürlich jeder. Aber liegt hier wirklich eine faire Begründung vor?

Nach Rücksprache mit Verantwortlichen der beiden Vereine, die unsere Initiative nun verlassen haben, habe ich erfahren, dass bei ihnen schon länger die Frage "Was bringt uns die Mitgliedschaft in der Fair zum Erfolg?" im Raum stand.

Für mich persönlich habe ich seit langem schon eine positive Antwort gefunden. Sie lässt sich nicht in "Euro und Cent" ausdrücken. Den Fairness-Preis 2017 zu bekommen aber sehr wohl umfasst. M. E. können wir darauf richtig stolz sein und ich finde, wir machen viel zu wenig Werbung damit.

Für andere Schachfreunde ist der Sinn einer Mitgliedschaft offenbar aber weniger klar. Wie sieht das aber nun bei unseren Mitgliedern aus?

Worin seht Ihr den Sinn einer Fair zum Erfolg-Mitgliedschaft? Was würdet Ihr ggf. erwarten? Was seid Ihr bereit einzubringen?

Befriedigende Antworten auf diese Fragen können ggf. auch andere Vereine überzeugen, unserem lockeren Verbund beizutreten.

(von Heiner Uhlig)

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Achtung Abwerbung!

Bei der Württembergischen Jugendeinzelmeisterschaft kommt es in der 4. Runde der U10 zu einem Spitzenduell zwischen Peter und Paul. Peter brilliert mit einer genialen taktischen Abwicklung und steht nun an der Spitze. Um die Partie hat sich eine Traube Schaulustiger gebildet. Darunter ist auch Gerhard Mauser, Jugendleiter des Schachclubs Königsmörder Ulm. Gleich nach der Partie lädt er Peter zu einer Analyse ein. Er zeigt sich tief beeindruckt von dessen Spielstärke, bietet ihm gleich das du an und zeigt ihm, wie er hätte noch besser spielen können. Auch nach den weiteren Partien kommt Gerhard Mauser auf Peter zu, analysiert mit ihm und bestärkt Peter immer wieder in seinem Talent. Er könnte richtig weit kommen. Der neunjährige Peter fühlt sich bei solchen Worten natürlich sehr geschmeichelt und findet schnell Vertrauen zu Gerhard Mauser. Aber irgendwann, kurz vor Ende des Turniers, fragt Gerhard Mauser besorgt, ob Peter in seinem Verein auch gut genug gefördert würde. Er fragt ihn ein bisschen aus und ist entsetzt, wie wenig Förderung so ein Riesentalent wie Peter dort erfährt. Die beiden tauschen die Telefonnummern aus. In der Folgezeit ruft Gerhard Mauser mehrmals Peter an und erkundigt sich, wie es ihm ginge. Er lädt ihn zu sich in den Verein ein, wo er eine viel bessere Förderung erhalten könnte als in seinem hiesigen Verein.

Die Namen dieser Personen sind erfunden. Den Trainer Gerhard Mauser gibt es nicht, ebensowenig die Spieler Peter und Paul. Aber Szenen wie diese spielen sich bei Jugendturnieren leider immer wieder ab. Junge Talenten, die ihr Urvertrauen noch nicht verloren haben, glauben den Lockungen von abwerbenden Trainern. Welcher junge Mensch würde sich beklagen, wenn man ihn hofiert? Auch für viele Eltern erscheint es verständlicherweise attraktiv, wenn ihren Kindern eine bessere Förderung versprochen wird. Die Schattenseiten dieser Methode kennen viele nicht:

Noch problematischer sind Vereine, die überhaupt keine Jugendförderung betreiben, sondern Spieler nur durch Abwerbung rekrutieren. Sie warten, bis andere Vereine Jugendspieler aufgebaut haben und locken sie dann in eine hohe Liga. Diese Liga können sie aber nur erreichen, weil sie sämtliche starke Spieler von anderen Vereinen abgeworben haben. Eine parasitäre Strategie, die nur funktionieren kann, solange sie wenige Vereine betreiben.

Vereinswechsel ist nicht Abwerbung

So problematisch Abwerbung auch sein mag, sollte man eines nicht vergessen: Vereine haben keine Besitzrechte auf ihre Jugendspieler. Wenn ein Jugendspieler den Verein wechselt, ist das sein gutes Recht. Vereine mit einer guten Jugendarabeit ziehen oft Spieler aus anderen Vereinen an, die mit ihren Vereinen unzufrieden sind. Deswegen kann man den Vereinen mit guter Jugendarbeit nicht vorwerfen, sie würden abwerben. Wenn einem Trainer die Jugendlichen in großer Zahl den Rücken kehren, sollte er sich eher die Frage stellen, ob er etwas falsch macht. Ein Trainer, der zur Selbstkritik nicht in der Lage ist, macht es sich dann lieber leichter und wirft anderen Vereinen vor, "seine" Spieler abgeworben zu haben.

Umgang

Abwerbung zu verbieten, ist nicht möglich. Niemand kann es einem Trainer verbieten, sich mit Spielern eines anderen Vereins zu unterhalten. Niemand kann ihm verbieten, ihnen ein besseres Training oder einen guten Mannschaftsplatz zu versprechen. Aber wie geht man mit solchen Trainern bzw. deren Vereinen um? Es ist sicherlich sinnvoll, mit ihnen eine offene Diskussion zu führen. Vor öffentlichen Kampagnen gegen abwerbende Vereine ist dagegen dringend abzuraten, da eben nicht jeder Vereinswechsel durch Abwerbung herbei gefürt wird. Darüber hinaus kann so eine Kampagne sehr schnell zu einer absurden Hexenjagd ausarten. Ebenso sollten Trainer sich hüten, ihre Spieler aus Angst vor Abwerbung abzuschirmen und ihnen einen Wechsel zu erschweren. Damit begeben sie sich nur auf die Stufe von Sekten, die ihre Mitglieder die Freiheit verwehren. Allerdings können Trainer die Heranwachsenden ihres Vereins und deren Eltern im Vorfeld auf die Methoden von abwerbenden Vereinen sensibilisieren. Viel wichtiger ist jedoch, dass sie ihr Training und ihr Vereinsleben möglichst attraktiv gestalten. Je mehr Heranwachsende ihren Verein schätzen, desto geringer ist die Gefahr, dass sie abgeworben werden.

(von Elmar Braig)

Die fiktive Person Gerhard Mauser und der zugehörige Schachclub Königsmörder Ulm stammt aus dem Trainereinstiegskurs der "Fair zum Erfolg"-Initiative.zurück

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